Freitag, 30. August 2013

"Denn nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein."*

Seit letztem Jahr beschäftige ich mich mit dem Thema Introversion vs. Extroversion. In der letzten Zeit habe ich mir wieder vermehrt Gedanken darüber gemacht, vor allem im Zusammenhang mit dem individuellen Alter. Ob es an meinem Introvertiertsein liegt oder einfach an meinem Charakter, ich weiß es nicht, aber ich habe mich selten meinem Alter entsprechend verhalten. Schon als Kind war ich die Stille, die sich mit sich selbst beschäftigt hat und nicht wild schreiend durch die Gegend gerannt ist und nach Aufmerksamkeit verlangt hat. Ich war ein fröhliches Kind, aber eben kein lautes. Als Jugendliche wurden die Unterschiede zu Gleichaltrigen immer deutlicher und in der Abizeit habe ich meine Wochenenden lieber zuhause verbracht als mein Taschengeld zu verfeiern und zu versaufen. Ältere haben mir schon häufiger gesagt, dass ich älter wirke als ich eigentlich bin, dass man sich mit mir über essentielle Themen unterhalten kann, und ab einem gewissen Zeitpunkt verwandelte mich meine Verwirrung und Hilflosigkeit darüber in Stolz. Vielleicht wirkte ich auf meine Altersgenossen langweilig und zurückgezogen, aber ich hatte immer wieder das Glück, auf Gleichgesinnte zu treffen und hatte keine Probleme, mich mit Älteren zu unterhalten und zu verstehen. Ich lebe mich nicht weniger aus als andere in meinem Alter, die viel feiern und ständig auf Achse sind. Ich lebe mich nur eben anders aus. Stiller. Und auch wenn es oftmals anstrengend ist und auch traurig macht, anders zu sein und sich zu rechtfertigen, habe ich inzwischen gelernt, mich anzunehmen und zu mir zu stehen - und nichts erscheint schwieriger, als sich im Gegensatz zu seinen Altersgenossen zu befinden (um einmal Bezug auf das Zitat im Titel zu nehmen). Über mich selbst sage ich scherzhaft, dass ich schon mit vierzig Jahren auf die Welt gekommen bin - eine leichte Übertreibung, die aber verdeutlicht, wie seltsam es sich manchmal anfühlt, wenn man sich so viel älter fühlt als man ist. Dennoch ist das nichts Negatives mehr für mich und auch nicht so gemeint wie man vielleicht mal sagt "Ich fühle mich wie eine achtzigjährige Oma!". Es ist eben so, dass ich mich nicht wirklich wohl fühle in diesem Alter, dass ich mich sogar eher darauf freue, älter zu werden, weil mein Alter dann vielleicht besser zu mir passt.
In M. habe ich einen Partner gefunden, dem es ähnlich geht und der eine ähnliche Biografie hat, was das Thema angeht. Und wie hat er letztens so schön gesagt? "Wir sind nun mal anders als Andere in unserem Alter. Wir sind Freaks, Nerds. Und wir werden uns unser Leben lang dafür rechtfertigen müssen." 
Aber vielleicht kommen wir ja auch irgendwann in ein Alter, in das wir wirklich gehören ...




*Kurt Tucholsky

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