Freitag, 12. Oktober 2012

[Rezension] Colin Beavan: "Alles öko!"



Aufbau Verlag - Taschenbuch, 256 Seiten - ISBN: 978-3-7466-7100-0 - 9,99 €


Eigentlich ist das, was Colin Beavan hier angeht, ein grundlegendes Problem unserer Zeit: Unser Konsumverhalten, das weitreichende Konsequenzen hat, muss auf den Prüfstand. Besonders in Amerika – und das ist leider nicht nur Klischee – ist das Konsumverhalten maßlos und sehr verpackungslastig. Wer zur Kaste der Erfolgreichen gehören will, kocht eben nicht selbst, sondern holt sich seinen Lunch bei irgendeinem Imbiss. Beavan wird sich der Absurdität dieser Tatsache anhand seiner Frau Michelle bewusst: Da sie keine lange Mittagspause machen will, weil sie eine Beförderung erstrebt, holt sie sich irgendwo ein Takeaway, das sie an jedem Arbeitstag fünfzehn Dollar kostet. Dabei braucht sie die Beförderung im Grunde vor allem für dieses Essen, das sie jedes Jahr mehrere Tausend Dollar kostet. Colin Beavan reflektiert auch darüber, dass die ganze Schufterei, um Dinge kaufen zu können, die nur kurzfristig glücklich machen, nicht so viel wert ist wie Familie, Freunde und Partnerschaft. Ohnehin mache materieller Konsum nicht glücklich.

Zu all diesen Erkenntnissen gelangt Beavan, als er einen Blick in die Müllsäcke der Familie wirft. Ja, den Müll. Dort sieht er nämlich vor allem Verpackungsmaterial, To-Go-Becher, Behälter von diversen Lieferdiensten, Windeln seiner Tochter, aber keine frischen Sachen, keine „normalen“ Haushaltsabfälle wie Kartoffelschalen. Ich fand das – ebenso wie er selbst – erschreckend, weil gerade eine Familie mit einem kleinen Kind doch darauf achten sollte, dass gesundes Essen auf den Tisch kommt. Diese Erkenntnis kommt Beavan leider gar nicht, denn er als Vater sollte seiner Tochter doch ein Vorbild sein? Doch die besser gestellten Amerikaner sind wohl auch nicht gefeit vor dem berüchtigten Brett vor dem Kopf, aber Selbsterkenntnis ist ja bekanntlich der beste Weg zur Besserung und Beavan tut genau das. Er stellt alles in Frage, selbst normale alltägliche Dinge, und das ist jener Schritt, der so mühsam und beängstigend erscheint, wenn man so ein Projekt beginnt. Die ausgetretenen Pfade zu verlassen ist nicht leicht, aber etwas so zu tun, weil man es schon immer so getan hat und weil alle es so tun, ist vielleicht bequem, aber ganz sicher nicht richtig.
In den kommenden Wochen und Monaten steigert Beavan seine Bemühungen und von manchen Dingen sagt er selbst, dass sie vielleicht etwas extrem waren. Beispielsweise, den Strom vollständig abzustellen (bzw. soweit es eben ging). Oder seine Frau anzufahren, weil sie sich eine Zeitung gekauft hatte. Sowieso scheint Beavans Frau Michelle – aufgewachsen in einer Millionärsfamilie – größere Probleme mit dem Projekt zu haben als ihr Mann und man empfindet sie anfangs als sehr unsympathisch, weil ihr Mode wichtiger zu sein scheint als Klimawandel und der Untergang der Erde. Doch mit der Zeit wird sie so manches Mal sogar die treibende Kraft und im Gegensatz zu ihrem Mann tritt sie vehement dafür ein, dass der Fernseher abgeschafft wird. Dadurch haben sie plötzlich mehr Zeit, vor allem für ihre Tochter Isabella, das Familienleben dreht sich jetzt vor allem um die Menschen in dieser Familie und nicht mehr nur um die Mattscheibe. Sie leben jetzt bewusster und haben sogar öfters Besuch von Freunden, der zeigt, dass Colin und Michelle für andere keine kauzigen Sonderlinge sind, sondern dass andere interessiert an dem sind, was sie machen. Auch die Zuschriften, die Colin über seinen Blog erhält, sind fast nur positiv – ein Zeichen dafür, dass die Zeit für Menschen wie ihn gekommen ist.

Colin Beavans Projekt ist kein Allheilmittel, aber es steckt an. Man beginnt selbst sich (wieder?) zu hinterfragen und sieht sich seine Umwelt genauer an. Die angeblichen Errungenschaften der Zivilisation sind plötzlich gar nicht mehr so erstrebenswert und vor allem nicht selbstverständlich. Man muss nicht gleich den Strom abschalten oder vollkommen auf Plastik und Papier verzichten, aber man sollte sparsamer mit diesen Ressourcen umgehen und Alternativen ausprobieren, wenn es möglich ist. Und sich mal öfters aufs Fahrrad schwingen statt das Auto zu nehmen oder selbst kochen statt Fertiggerichte zu kaufen. Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern spart auch Geld – ein Aspekt, den Beavan leider vollkommen außen vor lässt.


Fazit:
Nicht nur ein inspirierendes und lehrreiches, sondern auch ein unterhaltsames Buch. Nach der Lektüre beginnt man, die Welt mit anderen Augen zu sehen und möchte am liebsten gleich ein eigenes „No Impact“-Projekt starten. Das "Ich alleine kann ja eh nichts erreichen" zählt nicht mehr! Und im Geiste dieses Buches habe ich es direkt an eine Freundin weiterverschenkt.


4 von 5 Punkten

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen