Samstag, 23. November 2013

[Gedanken] Von einer Veganerin im Herzen, die noch Lederschuhe trägt. Oder: Wie ich flexigan wurde.

(c) Frau von Saltkrokan
Ihr erinnert euch vielleicht an meinen Beitrag vor ein paar Wochen, in dem ich verkündete, dass ich meinen körperlichen Bedürfnissen und Gelüsten mehr nachgeben möchte, sprich: Wenn ich Lust auf Quark habe, dann esse ich Quark. Diesen Beitrag könnte ich genauso gut löschen oder zumindest wird er im Nachhinein ungültig.

In den vergangenen Wochen habe ich mich wieder einmal eingehender mit veganer Ernährung und Lebensweise auseinandergesetzt und spätestens als J. (die ja vegan ist) zu Besuch war und ich dadurch vegan gegessen habe, war es soweit: Ich machte mich auf den Weg zu einem veganen Leben. Als ich dann "Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen" von Melanie Joy in der U-Bahn weiterlas (Ich hatte es nach dem Kapitel über Schweine wieder für eine gewisse Zeit weglegen müssen, weil es mich sehr mitgenommen und daran erinnert hatte, dass ich nicht konsequent genug war), kam ich nach Hause, begrüßte M. und verkündete ihm, dass er nun mit einer Fast-Veganerin zusammenlebt. Am Abend sah ich mir dann zum ersten Mal "Earthlings" an, den viele Veganer als Mit-Grund dafür angeben, weshalb sie vegan wurden. Obwohl ich all das wusste, was dort gezeigt wurde, obwohl es nichts Neues war, verstörte der Film mich. In geballten Bildern, aneinandergereiht dieses Grauen zu sehen, hat mich verändert. Bisher hatte ich immer nur einzelne kurze Videoaufnahmen gesehen, aber nicht anderthalb Stunden lang. Und da wurde mir bewusst: So wie viele Menschen, die (noch) Fleisch essen, habe auch ich die Augen verschlossen, habe mir Dinge zwar nicht schön geredet, sie aber verdrängt. Ich habe mir eingeredet, dass ich nie im Leben auf Käse verzichten könne, habe dabei aber übersehen, dass es mir ohne ihn vielleicht sogar besser geht, aus Gewissensgründen ebenso wie physisch.

Aber wieso nur fast? Wieso nicht konsequent? Weil der Übergang zu vegan ein schleichenderer Prozess ist als der zu vegetarisch, denn aus meinem "alten Leben" habe ich noch Lederschuhe und Wollschals, Medikamente, das ein oder andere unvegane Kosmetikprodukt und diese Woche habe ich beim Inder auch noch Panir gegessen. Weil ich ein Mensch bin, der sich manchmal auch zu viele Gedanken macht und an diesen Gedanken zugrunde gehen kann, und weil ich einen hohen Perfektionismusanspruch an mich selbst habe, will ich mich nicht zu sehr unter Druck setzen. Und ganz ehrlich? Wenn ich jemanden finden würde, der Hühner so artgerecht es denn geht, hält, würde ich auch weiter Eier essen (Meine Cousine hält mit ihrem Freund zusammen beispielsweise ein paar Hühner auf einem Stückchen Land, wo diese frei herumlaufen können). Denn im Gegensatz zum Fleischessen stört mich an der Milch- und Eierwirtschaft wirklich nur die Haltung. Esse ich Fleisch, wird ein Tier dafür geschlachtet, ganz gleich, ob es vorher "glücklich" oder in Massentierhaltung gelebt hat, zuammen mit allen anderen Tieren. Und die Art und Weise, wie Tiere geschlachtet werden, ist nicht schön - jedem, den das interessiert, sei Melanie Joys Buch oder auch "Tiere essen" von Jonathan Safran Foer ans Herz gelegt.
Dann gibt es auch noch meine Freunde und Familie, die damit zurecht kommen müssen, dass ich nun noch mehr "anders" bin als vorher sowieso schon. M. steht bei meiner Entscheidung vollkommen hinter mir und auch meine Mutter meinte, dass das Wichtigste ist, dass ich mich wohl fühle und es mir gut geht. Doch selbst J. sagt manchmal, dass es als Vegetarierin so viel einfacher war, wenn es um Gesellschaft geht - aber gleichzeitig sagt sie, dass sie nicht mehr zurück kann. Bei mir ist das alles noch nicht so stark, aber ich spüre auch, dass ich mit dem Vegetarischsein alleine auch nicht mehr glücklich bin, es genügt mir nicht mehr. Darum möchte ich zunächst "flexigan" leben, schauen, was alles geht, wo ich an meine Grenzen stoße und ob ich vielleicht ganz automatisch nach und nach komplett vegan werde. "Flexigan" auch, weil ich mich nicht erdreisten würde, mich "vegan" zu nennen so lange ich noch Lederschuhe trage, es steht mir nicht zu, mich in die Reihe derer zu stellen, die wirklich konsequent sind. Das tun ohnehin schon viel zu viele ...
Und vielleicht werde ich doch eines Tages komplett vegan und lache über meine Zweifel, die ich jetzt noch an mir und meiner Konsequenzfähigkeit habe.

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