Sonntag, 26. Januar 2014

[Rezension] "Go vegan!" von Marlene Halser (Hrsg.)

(c) Frau von Saltkrokan
Von anderen zu hören, wie sie zum Veganismus kamen, finde ich immer spannend. Es finden sich erstaunliche Parallelen, aber dennoch ist es jedes Mal etwas anders. 
Marlene Halser hat die verschiedensten Leute dazu befragt und herausgekommen ist eine tolle Sammlung vieler Geschichten von Menschen, die vegan leben oder zum Vegansein anderer beitragen. Manchmal fand ich die Auswahl der Beteiligten sehr passend (Attila Hildmann, Patrik Baboumian, Jan Bredack, Björn Moschinski) oder spannend (Surdham Göb, Claudia Renner, Raphael Fellmer, Sandra Forster), aber auch irritierend (Ariane Sommer oder Yogalehrerin Antje Schäfer) oder nicht ganz stimmig (Klaus Wolf, ein Winzer). Mit manchen Meinungen ging ich konform, andere haben mich aufgeregt oder geärgert. Doch gerade das macht das Buch so interessant: Dass nicht alles homogen ist, denn das sind auch vegan lebende Menschen nicht. Die einen sind vegan geworden, weil sie gegen Massentierhaltung sind, andere aus gesundheitlichen Gründen, wieder andere aus Umweltschutzgründen, wieder andere aus dem Trend heraus.
Erstaunlicherweise war mir der Beitrag von Attila Hildmann hier beispielsweise sehr sympathisch, da er schreibt, dass es nicht um hundertprozentige Perfektion geht, sondern um jeden noch so kleinen Beitrag. Auch kommt an dieser Stelle der Tierschutzgedanke mehr zum Tragen als in seinen Kochbüchern. Sonst bin ich nicht der große Hildmann-Fan, aber hier spricht er ein wahres Wort - denn wenn wir alle ehrlich sind, ist es im Endeffekt egal, wieso jemand vegan wird, Hauptsache er wird es!
Unsympathisch war mir hingegen beispielsweise der Beitrag des veganen Tätowierer-Pärchens aus meinem Heimat-Bundesland. Vor allem die Dame war mir zu extrem, da sie ausschließt, dass fleischessende Menschen wirklich zu ihren Freunden werden können ("Mittlerweile fällt es mir sogar schwer, ganz offen auf Menschen zuzugehen, die ich neu kennenlerne und die keine Veganer sind. Die kann ich nett und sympathisch finden, aber ich weiß dennoch, dass wir keine engen Freunde werden."). Hier treffen zwei Ansichten aufeinander, meine und ihre, denn ich definiere Menschen nicht nur über ihre Ernährungsweise und ich finde, wenn man das tut, reduziert man diese Menschen genauso wie man selbst vielleicht reduziert werden könnte. Ich bin schließlich mehr als nur Veganerin und ein Fleischesser ist auch mehr als nur das. Anders verhält sich das höchstens bei mir, wenn mir zu großes Unverständnis und dumme Sprüche entgegenschlagen. Aber auch hier muss man wieder einmal festhalten: Jede/r empfindet das alles anders, jede/r zieht seine/ihre eigenen Grenzen und das ist auch gut so und sollte respektiert werden.

Spannend fand ich zunächst auch, dass nicht-vegan lebende Leute zu Wort kommen, allerdings war ich von den einzelnen Beiträgen dann doch sehr enttäuscht. Beispielsweise schreibt Winzer Klaus Wolf zwar, dass er aus Überzeugung veganen Wein produziert, aber so wirklich herauslesen kann man das dann doch nicht aus seinem Text. Auch Stephan Becker, Betreiber der Naturkosmetikmarke benecos, ist letzten Endes nur Geschäftsmann, dessen Ideale und Überzeugungen nicht so überzeugend rüberkommen. 

Gespickt sind die einzelnen Beiträge der Beteiligten auch immer wieder mit Infokästen, die beispielsweise erklären, was die China Study ist oder tierische Inhaltsstoffe in Kosmetik auflisten. Auch das Glossar und die Literaturhinweise runden das Buch ab, so dass es Hand und Fuß hat.
Sehr rund fand ich auch, dass auf Schwarz/Weiß-Fotos statt Farbfotos zurückgegriffen wurde, so dass sich der Preis in einem annehmbaren Rahmen bewegt.


"Go vegan!" ist für Einsteiger eine nette Lektüre, um verschiedene Sichtweisen auf das Thema und Erfahrungswerte kennen zu lernen und um zu entdecken, dass Veganer keine homogene Masse sind, sondern dass Jede/r von ihnen individuell ist. Da sich in dem Buch verschiedene Menschen mit ihren Texten und damit ihren Ansichten tummeln, wird man den einen sympathischer finden als den anderen - eben genau wie im "richtigen" Leben!
Sehr nett ist übrigens auch der Hinweis, dass das Buch vegan produziert wurde - was wiederum die panische Frage in mir auslöste, wie denn meine geliebten Bücher dann sonst produziert werden ...

«Viele Menschen sagen, Veganer zu sein sei extrem. Aber eigentlich ist es genau andersherum. Der Herzinfarkt, der meinen Vater das Leben gekostet hat, war bereits sein dritter. [...] Ist es nicht viel extremer, dass man aufgrund seiner Ernährung den Brustkorb aufgeschnitten bekommt und einem die Ärzte am offenen Herzen rumfummeln müssen? In der westlichen Kultur denken wir immer, wir seien so fortschrittlich. Ich glaube aber, dass wir in der Zukunft diese Zeit mit dem dunkelsten Mittelalter vergleichen werden. Noch nie in der Geschichte der Menschheit wurden Menschen und Tiere systematisch in diesen Größenordnungen ausgebeutet!»
(Attila Hildmann, S. 133)



riva Verlag. Taschenbuch. 208 Seiten. ISBN: 978-3-86883-306-5. 16,99 €.
Ich danke dem riva Verlag für das Rezensionsexemplar.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen