Donnerstag, 27. September 2012

[Rezension] Stephen King: "Wind"

Heyne - Gebunden, 416 Seiten - ISBN: 978-3-453-26794-7 - 19,99 €

Wie sehr habe ich mich auf dieses Buch gefreut! Sobald ich hörte, dass es einen achten Band der „Turm“-Saga geben soll, habe ich auf den Erscheinungstag (der deutschen Ausgabe) gewartet. Ich hielt es nicht für möglich, dass noch auch nur ein einziges Wort zu diesem Magnum Opus gesagt werden könnte, es schien dafür viel zu sehr von Anfang bis Ende durchkomponiert. Besonders das Ende … Doch „Wind“ ist nicht wirklich eine Fortsetzung, kein achter Band, sondern eher Band 4.5 (wie King es selbst in seinem Vorwort schreibt). Nachdem Roland und sein Ka-Tet aus der Stadt Lud weggegangen sind, müssen sie gezwungenermaßen eine längere Rast einlegen, weil ein Stoßwind aufzieht – ein katastrophal mächtiger und kalter Sturm, der den Tod mit sich bringt. Während sie darauf warten, dass der Wind sich legt, erzählt Roland eine Geschichte aus seiner Jugend. Er und sein Freund Jamie werden von Rolands Vater nach Debaria geschickt, um einen mysteriösen Fellmann zu jagen, der in der Gegend mordet. Ein Gestaltwandler, von dem niemand weiß, er und was er wirklich ist. Die Beschreibungen seiner Opfer sind – typisch King – sehr plastisch und machen deutlich, mit was für einem Ungeheuer es die jungen Revolvermänner hier zu tun haben … Als eines Nachts wieder eine gesamte Familie ermordet wird, haben Roland und Jamie allerdings Glück im Unglück: Ein Junge war Zeuge der Geschehnisse und nun müssen sie ihn schützen. Während Roland mit ihm in einer sicheren Gefängniszelle sitzt, erzählt er ihm eine Geschichte, die seine Mutter ihm immer erzählt hat: „Der Wind durchs Schlüsselloch“ (Der Originaltitel lautet „The Wind Through The Keyhole“, genau wie der Titel des Buchs). Die Verschachtelung ist an sich ein netter erzähltechnischer Kniff, da die Geschichte aber sehr lang ist (knapp zweihundert Seiten) und auch nicht mehr unterbrochen wird von der Rahmenhandlung, zieht sie sich etwas hin, die Spannung geht verloren. Sowieso stellt man sich die Frage, ob diese Geschichte wirklich hätte erzählt werden müssen, ob sie die gesamte Saga bereichert oder nur eine nette Dreingabe ohne Sinn und Zweck ist. Insgeheim hatte ich mir hier mehr versprochen. Eine Fortsetzung der Ereignisse vom „Dunklen Turm“ hätte mich enttäuscht, aber dies hier ist auch ein bisschen wenig. Mehr von Rolands früherem Leben zu erfahren, ist interessant, aber die Episode in Debaria scheint nicht von so tragender Rolle zu sein wie beispielsweise die Zeit, von der man in „Glas“ erfährt. Das Ka-Tet wieder zu „treffen“ war schön, aber das Vergnügen war auch sehr kurz, weil der Großteil des Buches von Rolands Jugend und der Geschichte „Der Wind durchs Schlüsselloch“ eingenommen wird. King beweist mit dieser Geschichte zwar wie so oft zuvor sein Talent als großer Geschichtenerzähler, aber am Ende fragt man sich doch im Stillen, ob diese Geschichte hätte erzählt werden müssen. Befriedigender ist es wohl, die sieben ursprünglichen Bände alle paar Jahre wieder zu lesen, wenn man Sehnsucht nach Mittwelt verspürt.

Eine letzte kurze Bemerkung zur Anforderung an die Leser: King schreibt zwar in seinem Vorwort, dass auch Leser, die die „Dunkle Turm“-Saga nicht kennen, das Buch „mit Lustgewinn“ lesen können, aber das würde ich in Zweifel ziehen. „Wind“ ist wie ein Treffen mit alten Freunden, die man mehrere Jahre nicht gesehen hat und wenn man Roland, Eddie, Susannah, Jake und Oy erst mit diesem Buch kennen lernt, wird man es wohl eher mit einem großen Fragezeichen lesen. Als Einstieg in die „Turm“-Saga würde ich da eher den ersten Band „Schwarz“ empfehlen.


Fazit:
„Wind“ ist für „Turm“-Fans eine schöne Gelegenheit, wieder nach Mittwelt zurück zu kehren, alle anderen Leser sollten erst die anderen sieben Bände lesen. Außerdem ist es ein Buch, dass nicht viel Neues bringt und nach dessen Lektüre man auch ein wenig enttäuscht zurück bleibt.


3,5 von 5 Punkten

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