Ich bin Realistin. Manche mögen mich auch als Pessimistin sehen, vielleicht bin ich das sogar. Für mich ist das Glas halb leer und nicht halb voll. Wenn ich mich gedanklich auf etwas vorbereite, gehe ich immer erst einmal vom schlimmsten aus - wenn es dann wirklich so kommt, falle ich nicht so unsanft auf die Schnauze als wenn ich vom Positiven ausgegangen wäre. Kommt es besser, habe ich umso mehr Freude. Wenn ich etwas Neues kaufe, zähle ich erst einmal auf, was mich daran stört statt mich an dem zu erfreuen, was toll daran ist (so war es auch beim neuen Fahrrad ...). Hinzukommt, dass ich auch noch sehr selbstkritisch bin - ich lasse selten ein gutes Haar an mir und kritisiere viel an mir herum.
Ihr denkt, dass so ein Leben anstrengend ist? Ja, das ist es und inzwischen stört mich das auch. Aber weil ich Realistin bin, gehe ich davon aus, dass ich nie der optimistische Typ sein werde. Optimistischer, ja, das geht in jedem Fall. Ist an sich ja auch nicht so schwierig, wenn man so eine Schwarzseherin ist wie ich ...
Auf der Buchmesse vor ein paar Jahren konnte man sich von jemandem chinesische Schriftzeichen auf Papier malen lassen. Ich hatte mich damals spontan für die Zeichen für "das Glück schätzen" entschieden. Das ist nun drei Jahre her und das Bild steht gerahmt auf dem Regal - aber ich erinnere mich viel zu selten daran. Oft wirkt es, als sei ich zutiefst unglücklich oder ich muss meinen Mitmenschen ziemlich auf die Nerven gehen mit meinem Gemecker und meiner Krittelei (manchmal fühle ich mich ja selbst wie eine mürrische alte Frau). Ich bewundere Menschen, die selbstzufrieden sind, die sich am Leben erfreuen - mir muss nur eine klitzekleine Laus über die Leber laufen, schon ist der Tag für mich gelaufen. Wenn mir ein Unglück passiert (zum Beispiel, wenn mir ein Kuchen misslingt oder mir etwas hinfällt), lache ich nicht darüber, sondern ärgere mich stundenlang. Am Ende eines Tages erinnere ich mich an das Schlechte und nicht an das Gute, das passiert ist und das Schlimmste daran ist, dass ich das selbst sehr sehr schade finde und es mich sogar belastet.
Es ist zwar nicht sehr einfach, mich jetzt darin zu üben, zufrieden zu sein, weil ich dieses Jahr schon so vieles anderes ändern möchte, aber ich denke, das ist viel wichtiger als alle meine anderen Vorsätze. Deswegen führe ich jetzt ein Glückstagebuch und möchte auch wieder mehr die Wochenrückblicke pflegen, um mich daran zu erinnern, dass ich es ja doch gar nicht so schlecht habe. Albern? Lächerlich? Traurig? So mögen es manche sehen, für mich ist es der erste Schritt in die richtige Richtung - hin zum halb vollen Glas.
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