- oder: Ich hab dich trotz des Schnitzels lieb.
Diesen Beitrag hatte ich schon vor Monaten geplant, da er aber sehr lang und schwierig werden würde, hatte ich ihn immer wieder aufgeschoben. Als ich heute aber eine lange Diskussion auf der Alnatura-Facebook-Seite zu den neuen Mini Dinkel-Butterkeksen gelesen habe, war mir klar: Ich muss endlich zu diesem Thema etwas schreiben.
Ich lebe jetzt seit über einem Jahr ohne Fleisch, als Vegetarierin bezeichne ich mich nicht und lehne diese Bezeichnung auch von anderen ab, weil ich ab und an noch Fisch esse (der offizielle Ausdruck für mich ist "Pescetarierin" oder "Pesco-Vegetarierin", aber das überfordert selbst mich ...). Anfangs war es nicht leicht, diese Veränderung in meiner näheren Umgebung durchzusetzen und eine Akzeptanz zu erreichen, zumal es ja kein schleichender Prozess war. Noch heute ärgert es mich, wenn man mich nicht ernst nimmt und dass man die Tatsache, dass ich kein Fleisch esse nicht einfach so hinnimmt wie bei anderen Menschen, die zum Beispiel keine Tomaten essen. Es ist aber besser geworden und inzwischen hat auch mein Herzallerliebster seinen Fleischkonsum radikal zurückgefahren. Nun kommen wir zum eigentlichen Thema: Ich liebe ihn aber trotz des Schnitzels! Auch die uneinsichtigere Verwandtschaft habe ich nicht weniger lieb, nur weil sie das alles nicht verstehen und schon gar nicht für sich übernehmen können. Bisher hatte ich nicht den Eindruck, in meiner Umgebung groß etwas bewirkt zu haben, sieht man von meinem Freund und meiner Mutter ab (die toll findet, dass ich mir Gedanken mache und seitdem selbst öfters mal vegetarisch kocht), aber das war ja auch nicht mein vorrangiges Ziel, wenn es auch eine tolle Nebenerscheinung ist.
Das größte Problem sehe ich in der Kommunikation zwischen den verschiedenen Ernährungsformen. Die Veganer finden, die Vegetarier betreiben das Ganze halbherzig, weil sie noch Milch trinken, Eier essen etc.. Die "richtigen" Vegetarier schauen missbilligend auf Leute wie mich herab, die manchmal noch Fisch essen - von Fleischessern ganz zu schweigen. Omnivoren halten Vegetarier und Veganer für spinnert und es fallen Sprüche wie "Du isst meinem Essen das Essen weg!". Da werden dann in Diskussionen Ausdrücke wie "totes Tier" oder "Qualprodukte" ausgepackt. Man trägt T-Shirts mit fetzigen Sprüchen, die meiner Meinung mehr der Selbstbeweihräucherung dienen denn der Ausklärung und die Omnivoren als grausam hinstellen. Sicherlich, es gibt auch andere, ich spreche hier nur von den extremeren Beispielen. Auch ich bin nicht begeistert, wenn in der Mensa neben mir jemand sitzt und ins Schnitzel reinhaut. Oder wenn jemand vor mir an der Supermarktkasse kiloweise Fleisch aufs Band legt. Ich würde dann auch manchmal am liebsten ausrasten und etwas vom "toten Tier" erzählen (was ich manchmal auch bei meinen Liebsten mache), meist halte ich mich - inzwischen jedenfalls - zurück und besinne mich. Denn statt diese Menschen als uninformiert zu sehen und sich vor Augen zu halten, dass sie vielleicht nur "verhinderte" Vegetarier sind, dass sie nur die Augen verschließen und vor allem nicht böse oder grausam sind, werden diese Menschen von vielen Veganern und Vegetariern abgestraft.
Es nützt nichts, Unternehmen wie Alnatura anzugreifen, weil sie Butter in ihre Kekse tun. Man kann darauf hinweisen, nach veganen Alternativen fragen. Aber man muss auch sehen, dass es sich hierbei um ein Wirtschaftsunternehmen handelt und nicht die alle glücklich machende Wohlfahrt, hier geht es immer noch auch um Profit (so traurig es auch ist, aber das sei ein anderes Thema ...).
Es geht doch auch darum, wie man selbst behandelt und akzeptiert werden möchte! Bei manchen Leuten hat man den Eindruck, sie selbst wollen bedingungslos akzeptiert werden, an anderen dürfen sie aber so rummeckern wie es ihnen passt. Das ist - egal von welcher Seite - nicht in Ordnung! Besonders sollte man darauf achten, wie man miteinander redet, denn eine aggressive Haltung verschlimmert die Situation statt sie besser zu machen.
Bei meinem Umgang mit Omnivoren habe ich festgestellt, dass es immer wieder durchkommt, dass man mich für moralisch überlegen hält. Das findet entweder Ausdruck in Entschuldigungen oder offensiven Gegenschlägen. Entweder man sagt mir "Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht, aber wegen blabla und blibli kann ich das einfach nicht!" oder "Wir kaufen ja auch nur Biofleisch!". Dann gibt es noch die dummen Witzchen oder Pseudoweisheiten wie "Der Mensch braucht Fleisch!" oder "Ich esse nur etwas, das mal ein Gesicht hatte!". Seltener sind direkte Angriffe, mit denen ich persönlich glücklicherweise noch nicht zu tun hatte.
Das Schlimmste ist übrigens, wenn man mich bedauert, weil ich kein
Fleisch mehr esse - weil es doch so lecker ist. Bei so etwas (das eher
von der älteren Generation kommt) versuche ich gar nicht groß zu
erklären, wieso ich Fleisch nicht mehr esse, das ist verlorene
Liebesmüh. Seltsamerweise wird mein "nicht Fleisch essen" weniger oder
schwerer akzeptiert als wenn ich mindestens zehn andere Sachen aufzählen
würde, die ich nicht esse - wieso nur?
Meiner Ansicht nach finden sich aber in vielen dieser Äußerungen auch Einsichten. Die Menschen haben nur nicht den Mut, all dieses Geschwätz über Bord zu werfen und das zu machen, was ich mache. Sei es, weil sie für ihre nähere Umgebung keine Belastung sein wollen oder weil sie sich wirklich einbilden, ohne Fleisch nicht leben zu können. Auch ich ärgere mich dann mal über Ausflüchte, aber mein Ärger macht es nicht besser und vor allem macht es die Situation nicht besser, wenn ich jemanden angreife - denn dann machen die Menschen einen Schritt zurück, weg von mir, die sich aufschwingt, es besser wissen zu wollen. Wut auf jemand anderen, den man vielleicht mag oder sogar liebt, nur weil der/diejenige (noch) Fleisch ist, macht den Umgang miteinander schwerer.
Aber ich schweife ab ... Mein Hauptanliegen ist die Akzeptanz und Toleranz. Vor allem im Hinblick darauf, dass man andere nicht verteufelt, nur weil sie nicht so essen wie man selbst. Tierprodukte sind zum Reizthema geworden, man sucht nach Schubladen, um die Leute einordnen zu können. Eine Veganerin, die Lederschuhe trägt? Eine Vegetarierin, die Fisch isst? Ein Fleischesser, der sich für Tierrechte stark macht? Alles Heuchler? Doch so einfach ist es nicht, gerade in unserer ach so toleranten und modernen Gesellschaft sollte individuelle Lebensführung kein Problem sein, egal ob mit Fleisch, Milch, Eiern, Honig, Leder oder sonst was. Es sollte so gut wie niemandem schaden, das ja, aber man kann nun mal nicht alle dazu "verdonnern", dass sie von heute auf morgen vegan leben, so schön und idealistisch so eine Zukunftsvorstellung auch sein mag. Vielleicht wird es eines Tages dorthin gehen, ich sehe schon den Ansatz dazu.
Und ja, inzwischen halte ich Veganer für die besseren Esser, aber die besseren Menschen sind sie nicht automatisch! Omnivoren sind umgekehrt nicht sofort schlechte Menschen. Die meisten von "uns" waren früher auch einmal Omnivoren, doch viele scheinen das vergessen zu haben! Und statt anzufeinden, sollte man den Menschen, die man beeinflussen kann, auf den Weg dorthin helfen, den man selbst schon gegangen ist und sie bis dahin als "in Wartestellung" sehen. Und wenn wir alle ehrlich sind: Wir hätten das Schnitzel wohl auch nicht stehen lassen, wenn uns jemand erzählt hätte, dass das "Qualfleisch" ist und wir ganz böse, weil wir es essen (ich zumindest nicht). Indem man vorlebt und Alternativen zeigt, indem man sanft aufklärt und die Leute dort packt, wo es sie trifft, geht das viel besser als durch Predigten und moralische Keulen. Ich habe nämlich schon oft festgestellt, dass die Leute auf meine Gemüsestäbchen sehr neugierig waren und das Fleisch völlig vergessen haben, das noch auf ihrem Teller lag
Und ja, inzwischen halte ich Veganer für die besseren Esser, aber die besseren Menschen sind sie nicht automatisch! Omnivoren sind umgekehrt nicht sofort schlechte Menschen. Die meisten von "uns" waren früher auch einmal Omnivoren, doch viele scheinen das vergessen zu haben! Und statt anzufeinden, sollte man den Menschen, die man beeinflussen kann, auf den Weg dorthin helfen, den man selbst schon gegangen ist und sie bis dahin als "in Wartestellung" sehen. Und wenn wir alle ehrlich sind: Wir hätten das Schnitzel wohl auch nicht stehen lassen, wenn uns jemand erzählt hätte, dass das "Qualfleisch" ist und wir ganz böse, weil wir es essen (ich zumindest nicht). Indem man vorlebt und Alternativen zeigt, indem man sanft aufklärt und die Leute dort packt, wo es sie trifft, geht das viel besser als durch Predigten und moralische Keulen. Ich habe nämlich schon oft festgestellt, dass die Leute auf meine Gemüsestäbchen sehr neugierig waren und das Fleisch völlig vergessen haben, das noch auf ihrem Teller lag
Und wenn alles scheiert, einfach mal dezent "Tiere essen" auf dem Nachttisch liegen lassen ... ;-)
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