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Für seinen zweiten auf Deutsch übersetzten Roman hat Autor Brom ganz tief in der Mythologie-Kiste gewühlt und etwas Passendes für die Vorweihnachtszeit zu Tage befördert: Krampus, den Herrn des Julfestes. Dieser war mir bisher vollkommen unbekannt, aber man ist ja neugierig und spätestens bei der Erwähnung des Julfestes hatte Brom mich.
Protagonist Jesse wird in die
Ereignisse rund um den Konflikt zwischen Krampus und dem Nikolaus
hineingezogen. Eines Abends trifft er auf die Belznickel, die Diener
des Herrn der Julzeit, die vom Nikolaus und dessen Dienern verfolgt
werden. Durch Zufall fällt Jesse der Sack des Loki in die Hände –
der berühmte Sack des Nikolaus, der also heidnischen Ursprungs ist.
Sowieso erhält man in diesem Buch einen Schnellkurs in nordischer
Mythologie, in der Brom wie zuhause scheint.
Krampus ist eine geschundene Figur, die
versucht, zu ihrem Recht zu kommen, und dennoch bleibt am Ende ein
letzter Zweifel darüber, wer hier der „Gute“ und wer der „Böse“
ist: Krampus oder Nikolaus. Besonders die Mittel, zu denen Krampus
greift, um das Julfest wieder zu etablieren, wirken sehr brutal und
rücksichtslos. Er fühlt sich fremd in dieser Welt, die eben nicht
mehr die seine ist und in der sich alles geändert zu haben scheint.
Die Menschen kennen seinen Namen nicht mehr und schrecken vor seiner
Gestalt zurück, nennen ihn sogar „Teufel“.
Wie Krampus ist auch der Musiker Jesse
eine gescheiterte Figur: Beruflich recht erfolglos und abgewrackt hat
er seine Frau an einen anderen Mann verloren und mit ihr seine
Tochter Abigail. Da scheint der Geschenkesack wie gerufen, denn mit
diesem kann Jesse endlich wieder bei seiner Ex-Frau punkten – wenn
ihm nicht Krampus und dessen Rachefeldzug in den Weg kämen.
In „Krampus“ geht es aber nicht nur
um den offensichtlichen Konflikt zwischen Krampus und dem Nikolaus,
hier liegt ein tiefer gehender Streit zugrunde, nämlich der zwischen
Natur und Kultur, der zwischen dem dionysischen und dem apollinischen
Prinzip. Krampus symbolisiert die ungezügelte Leidenschaft, das
Rohe, manchmal Gewalttätige. Wohingegen der Nikolaus als der Heilige
aus den Legenden erscheint: Gezügelt, beherrscht, ehrwürdig.
Darüber hinaus allerdings scheint Krampus ehrlicher und direkter zu
sein, der Nikolaus spinnt Intrigen und schließt das, was ihm
unbequem ist, weg. Am Ende bleibt eine wirkliche Wertung aus, aber
man spürt die Sympathie des Autors für Krampus sehr deutlich.
Diese Sympathie drückt
sich auch in der Liebe zum Detail aus, denn in der Mitte des Buches
finden sich mehrere Hochglanzseiten mit Farbzeichnungen der
wichtigsten Charaktere. Obwohl diese sehr schön sind, hätte ich
darauf verzichten können, da sie viel zu sehr ein Bild vom Charakter
vorgeben und wenig eigenen Raum für Vorstellungen lassen.
Trotz der Brutalität und
seiner rüden Vorgehensweise, bei der durchaus Köpfe rollen und
Kinder geängstigt werden, war mir Krampus auch sympathisch – er
trifft genau den Nerv unserer Zeit, nämlich die leise Kritik an der
Art wie wir mit der Natur umgehen und sie für unsere Zwecke
ausbeuten.
„Krampus“ ist ein schöner Schmöker
für die Vorweihnachtszeit, hinter dem mehr steckt als man auf den
ersten flüchtigen Blick vermutet. Allerdings ist das Buch auch
nichts für schwache Nerven, da es hier durchaus sehr brutal zur
Sache geht. Der zornige Krampus ist nun mal nicht zimperlich …
«Der Herr der Julzeit griff nach der Türklinke, doch dann erstarrte er und schnappte nach Luft. Jesse folgte seinem Blick zu den Stufen, doch da war nichts außer zwei Paar Schuhen. Er wollte schon fragen, was los sei, da schaute er noch einmal genauer hin. Die Paare waren wie in einem Geschäft sorgfältig drapiert, und in jedem Schuh steckten Süßigkeiten. Eine Karte war dazwischengeklemmt. […] Auf der Karte stand: FROHES JULFEST, KRAMPUS. WIR SIND SEHR BRAVE KINDER. ALLES LIEBE, MARY UND TODD.»
(Seite 412f)
Knaur. Hardcover, 495 Seiten. Mit
Farbseiten. ISBN: 978-3-426-65334-0. 19,99 € (eBook 17,99 €).
Ich danke
Knaur herzlich für das Rezensionsexemplar!
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