Aufbau Verlag - Taschenbuch, 256 Seiten - ISBN: 978-3-7466-7100-0 - 9,99 €
Eigentlich ist das, was
Colin Beavan hier angeht, ein grundlegendes Problem unserer Zeit:
Unser Konsumverhalten, das weitreichende Konsequenzen hat, muss auf
den Prüfstand. Besonders in Amerika – und das ist leider nicht nur
Klischee – ist das Konsumverhalten maßlos und sehr
verpackungslastig. Wer zur Kaste der Erfolgreichen gehören will,
kocht eben nicht selbst, sondern holt sich seinen Lunch bei
irgendeinem Imbiss. Beavan wird sich der Absurdität dieser Tatsache
anhand seiner Frau Michelle bewusst: Da sie keine lange Mittagspause
machen will, weil sie eine Beförderung erstrebt, holt sie sich
irgendwo ein Takeaway, das sie an jedem Arbeitstag fünfzehn Dollar
kostet. Dabei braucht sie die Beförderung im Grunde vor allem für
dieses Essen, das sie jedes Jahr mehrere Tausend Dollar kostet. Colin
Beavan reflektiert auch darüber, dass die ganze Schufterei, um Dinge
kaufen zu können, die nur kurzfristig glücklich machen, nicht so
viel wert ist wie Familie, Freunde und Partnerschaft. Ohnehin mache
materieller Konsum nicht glücklich.
Zu all diesen
Erkenntnissen gelangt Beavan, als er einen Blick in die Müllsäcke
der Familie wirft. Ja, den Müll. Dort sieht er nämlich vor allem
Verpackungsmaterial, To-Go-Becher, Behälter von diversen
Lieferdiensten, Windeln seiner Tochter, aber keine frischen Sachen,
keine „normalen“ Haushaltsabfälle wie Kartoffelschalen. Ich fand
das – ebenso wie er selbst – erschreckend, weil gerade eine
Familie mit einem kleinen Kind doch darauf achten sollte, dass
gesundes Essen auf den Tisch kommt. Diese Erkenntnis kommt Beavan
leider gar nicht, denn er als Vater sollte seiner Tochter doch ein
Vorbild sein? Doch die besser gestellten Amerikaner sind wohl auch
nicht gefeit vor dem berüchtigten Brett vor dem Kopf, aber
Selbsterkenntnis ist ja bekanntlich der beste Weg zur Besserung und
Beavan tut genau das. Er stellt alles in Frage, selbst normale
alltägliche Dinge, und das ist jener Schritt, der so mühsam und
beängstigend erscheint, wenn man so ein Projekt beginnt. Die
ausgetretenen Pfade zu verlassen ist nicht leicht, aber etwas so zu
tun, weil man es schon immer so getan hat und weil alle es so tun,
ist vielleicht bequem, aber ganz sicher nicht richtig.
In den kommenden Wochen
und Monaten steigert Beavan seine Bemühungen und von manchen Dingen
sagt er selbst, dass sie vielleicht etwas extrem waren.
Beispielsweise, den Strom vollständig abzustellen (bzw. soweit es
eben ging). Oder seine Frau anzufahren, weil sie sich eine Zeitung
gekauft hatte. Sowieso scheint Beavans Frau Michelle – aufgewachsen
in einer Millionärsfamilie – größere Probleme mit dem Projekt zu
haben als ihr Mann und man empfindet sie anfangs als sehr
unsympathisch, weil ihr Mode wichtiger zu sein scheint als
Klimawandel und der Untergang der Erde. Doch mit der Zeit wird sie so
manches Mal sogar die treibende Kraft und im Gegensatz zu ihrem Mann
tritt sie vehement dafür ein, dass der Fernseher abgeschafft wird.
Dadurch haben sie plötzlich mehr Zeit, vor allem für ihre Tochter
Isabella, das Familienleben dreht sich jetzt vor allem um die
Menschen in dieser Familie und nicht mehr nur um die Mattscheibe. Sie
leben jetzt bewusster und haben sogar öfters Besuch von Freunden,
der zeigt, dass Colin und Michelle für andere keine kauzigen
Sonderlinge sind, sondern dass andere interessiert an dem sind, was
sie machen. Auch die Zuschriften, die Colin über seinen Blog erhält,
sind fast nur positiv – ein Zeichen dafür, dass die Zeit für
Menschen wie ihn gekommen ist.
Colin Beavans Projekt
ist kein Allheilmittel, aber es steckt an. Man beginnt selbst sich
(wieder?) zu hinterfragen und sieht sich seine Umwelt genauer an. Die
angeblichen Errungenschaften der Zivilisation sind plötzlich gar
nicht mehr so erstrebenswert und vor allem nicht selbstverständlich.
Man muss nicht gleich den Strom abschalten oder vollkommen auf
Plastik und Papier verzichten, aber man sollte sparsamer mit diesen
Ressourcen umgehen und Alternativen ausprobieren, wenn es möglich
ist. Und sich mal öfters aufs Fahrrad schwingen statt das Auto zu
nehmen oder selbst kochen statt Fertiggerichte zu kaufen. Das ist
nicht nur gut für die Umwelt, sondern spart auch Geld – ein
Aspekt, den Beavan leider vollkommen außen vor lässt.
Fazit:
Nicht nur ein
inspirierendes und lehrreiches, sondern auch ein unterhaltsames Buch.
Nach der Lektüre beginnt man, die Welt mit anderen Augen zu sehen
und möchte am liebsten gleich ein eigenes „No Impact“-Projekt
starten. Das "Ich alleine kann ja eh nichts erreichen" zählt nicht mehr! Und im Geiste dieses Buches habe ich es direkt an eine Freundin weiterverschenkt.
4 von 5 Punkten
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