(c) Frau von Saltkrokan |
Nachdem ich krankheitsbedingt zunächst auf einen Besuch des Jüdischen Museums verzichten musste (die Couch, warmer Tee und Taschentücher waren da doch attraktiver), fuhr ich heute, am letzten Tag in Berlin, noch dorthin. M. ließ ich daheim im kuscheligen Bett, für das er sich dann doch etwas mehr interessierte.
Das Jüdische Museum ist in einem imposanten Bau untergebracht, teils im alten Gebäude, teils im - von Daniel Libeskind (Düsseldorfer kennen ihn vom KÖ-Bogen her) entworfenen - Neubau. Dieser Neubau ist ein typisches Beispiel moderner Architektur und, entschuldigung, wenn ich das jetzt so sagen muss, furchtbar. Riesiggroß, grau und düster. Von außen wirkt er hermetisch abgeschottet, fast schon wie ein Gefängnis oder eine Hochsicherheitsanlage. Im Inneren ist der Neubau dafür umso interessanter, weil sehr verwinkelt und weitläufig. Im Nachhinein erwieß es sich als klug, früh genug zum Museum zu fahren, da die Leute, als ich herauskam, in einer langen langen Schlange anstanden. Vor dem Weg zur Kasse sollte man Zeit für die Kontrolle mitbringen, die flughafenmäßig, aber sehr unkompliziert abläuft. Für Studenten kostet der Eintritt unschlagbare 3,50 € (wenn gerade keine Sonderausstellung ist, nur 2,50 €) und für Normalsterbliche 7 € (bzw. 5 €).
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Zunächst gelangt man in das Untergeschoss, wo sich die Ausstellung thematisch auf die Shoa und das Exil beschränkt. Dieses Geschoss ist in verschiedene sogenannte "Achsen" unterteilt plus den "Garten des Exils" und den "Holocaust-Turm" (hier fragte ich mich übrigens, wieso "Holocaust" und nicht "Shoa" - ausgerechnet im Jüdischen Museum). Die Wände sind hier mit den Namen von Orten beschrieben, zu denen Juden deportiert wurden oder auswanderten.
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Die Dauerausstellung zur Geschichte des Judentums ist da schon wesentlich freundlicher und verspielter eingerichtet, man kann Dinge nicht nur ansehen, sondern auch ausprobieren und erlernen und Filme ansehen. Besonders zur Moderne hin erfährt man auch viel über die jüdische Lebenswelt, religiöse Feste und Bräuche. Sehr toll fand ich das koschere Geschirr, das sowohl in der älteren als auch der modernen (Plastik?-)Version (unterteilt in "Meat" und "Dairy") ausgestellt war, und die Kippot, die Motive aus Film und Fernsehen trugen (beispielsweise Batman oder die Darsteller aus "Friends").
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Die Sonderausstellung mit dem Titel "Die ganze Wahrheit ... was Sie schon immer über Juden wissen wollten" beantwortet alle erdenklichen Fragen zum Thema Judentum, meist jedoch implizit durch Zitate oder Ausstellungsstücke. Beispielsweise, ob ein Rabbiner heiraten darf, ob Juden an Satan glauben oder ob man über den Holocaust Witze machen darf. Vor Betreten der Sonderausstellung erhält man drei Plastikchips (ähnlich wie die beim Poker, nur etwas kleiner), die man später bei einer Art Umfrage in Behälter werfen kann: "Sind Juden besonders ... geschäftstüchtig? Intelligent? Schön? Einflussreich?" - Mir war bei dieser Umfrage nicht so wohl, bediente sie doch sämtliche Klischees, die man über Juden so hat und diese Fragen waren genauso absurd als würde man sie über eine andere Gruppe Menschen stellen (Bayern, Amerikaner, Frauen, Männer, Christen, Afroamerikaner etc.). Vielleicht soll man aber auch mit seinen eigenen Klischees konfrontiert werden, wer weiß ... Dennoch fand ich die Sonderausstellung sehr interessant und besonders für Leute sehenswert, die sich bisher kaum oder gar nicht mit dem Judentum beschäftigt haben.
Insgesamt hat mir das Jüdische Museum sehr gut gefallen und jedem, der sich für das Thema interessiert, kann ich es nur empfehlen. Man sollte aber nicht genervt sein, wenn oft auf das Dritte Reich Bezug genommen wird (durch den Schulunterricht wurde das Thema ja leider schon so manchem verleidet), immerhin ist das ein wichtiger Abschnitt in der jüdischen Geschichte. Wenn man sich ausführlich mit den Exponaten beschäftigen möchte, sollte man sehr viel Zeit mitbringen, ich denke, drei bis vier Stunden sind hier durchaus realistisch.
Zu der Umfrage (die mich vermutlich genauso befremdet hätte) möchte ich eine kleine Anekdote liefern...
AntwortenLöschenein mir bekannter Jude, Medizinstudent, Sohn eines Technikers und einer Beamtin, wurde als das Gespräch auf Religion etc. kam (in einem universitär gebildeten, aufgeschlossenen und weltoffenen, tendentiell linken Freundeskreis) gefragt, warum er denn nicht reich sei und warum seine Eltern keine Bankiers oder zumindest Künstler wären, weil sie doch Juden seien usw.
Traurig, das sagen zu müssen, aber diese direkte Konfrontation mit den eigenen Vorurteilen ist leider mehr als nötig. :-|
Ja, du sagst es, es ist traurig. Mehr kann man auch zu deiner Anekdote nicht sagen - höchstens noch den Kopf schütteln.
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